Text über die Ausstellung iGoli, Fotofluss, Wolkersdorf, A
20. 04. 2008 - 11. 05. 2008

Push my buttons softly

Zeitgenössische künstlerische Positionen aus und über Südafrika

Der erste Eindruck, den man von der Einladungskarte zur Ausstellung bekommt, ist ein Gegensatz: auf der einen Seite ein Blick auf zwei Geschoße einer Wohnmaschine im verarmten Bezirk Hillbrow und auf der anderen Seite der Spitzname von Johannesburg: iGoli – bezugnehmend auf die Goldvorkommen, die zwar schon längst versiegt und einer Arbeitslosenrate von rund 40% gewichen sind, aber in der dortigen Sprache noch immer gebräuchlich ist und „Platz des Goldes“ bedeutet. Solche Gegensätze scheinen charakteristisch für die Eindrücken von Südafrika, die Sabine Maier und Michael Mastrototaro gewonnen und zum Teil in Form von Kooperationen mit dem in Johannesburg lebenden Künstlerteam „Trinity Session“ oder mit Studenten aus den dortigen Universitäten, zum Großteil jedoch als Machfeld künstlerisch übersetzt haben. Raum für Raum führen sie uns anhand einer vielteiligen und vielseitigen Installation die politischen und kulturellen Zustände zweier wichtiger südafrikanischer Städte, Johannesburg und Kapstadt, vor, wie man sie als Fremder antrifft: Wie die Stadt funktioniert, welche Zeichen man erkennen und beherrschen muss, welche Spuren an das vergangenen Apartheidregime erinnern, welche Zuteilungen immer noch unausgesprochen selbstverständlich sind, die Vielschichtigkeit der Bevölkerung und die Einseitigkeit des Reichtums.

Das „apart“ (=getrennt) ist in noch zu vielen Bereichen deutlich: Im Dienstleistungssektor, in der Einkommensschere, im Lebensstandard, in den Wohngebieten. Die Teilung der Wohngebiete war ein maßgeblicher Eckpunkt der Apartheidpolitik, und Hillbrow ist ein solches Beispiel, ein Bezirk der vormals den Weißen vorbehalten war, aber mit der langsamen Zerbröselung der Apartheid von Farbigen, die die Townships verlassen wollten, besetzt wurde und heute eine extreme Bevölkerungsdichte aus ausschließlich Farbigen und eine vorstellbar hohe Armut und Kriminalitätsrate aufweist - die Weißen machen einen großen Bogen um den Bezirk.

Will man eines der unzähligen Sammeltaxis in Johannesburg anhalten, muss man die jeweiligen Handzeichen beherrschen, es gibt allerdings keinerlei Aufzeichnungen darüber. Machfelds Interesse an diesen Kommunikationscodes, welche Pfiffe etwa welche Zeitung bedeuten, hat dazu geführt, mit StudentInnen der Cityvarsity Johannesburg und StudentInnen der University of Wittwatersrand Johannesburg ein auditives Mapping von Johannesburg zu schaffen, also die Stadt über ihre Geräusche darzustellen mit Hilfe der unterschiedlichsten Aufnahmegräte, u.a. auch Handies oder MP3-Player: Industriegeräusche, Straßenlärm, genauso wie gesprochene Aufzeichnungen von persönlichen Erfahrungen. Die daraus entstandene Soundcollage X-com war Anfang des Jahres als Kunstradiosendung in Ö1 zu hören und ist hier in der Ausstellung durch 100m Drainagerohr geschickt, in dem es weitgehend verhallt ist, bis es ans Ohr des Betrachters gelangt.

The Lenox, ein deutsches Hotel in Kapstadt, hat auf Machfeld vor allem drei Eindrücke hinterlassen: Die eigentümliche Stille, die in dem ehemaliges Luxushotel herrschte, die Arbeitsbedingungen der farbigen Zimmermädchen, deren Arbeitstag von 6h morgens bis 12h Mitternacht andauert und die ebenfalls dazu angehalten waren, sich absolut ruhig und unauffällig zu verhalten und die zumeist selbst gemalten und mit Klebeband fixierten Beschilderungen, die den Besucher mit Servicehinweisen versorgen aber auch Verhaltensanweisungen und Verbote deutlich aussprechen: „Push my buttons softly“ bittet etwa das öffentliche Telefon. Und so spricht das Hotel trotz der Stille, wovon neben den Hinweistafeln auch drei Videos von öffentlichen Hotelräumen zeugen, sowie Interviews mit den Hausangestellten, deren blaue Arbeitsmäntel an Uniformen aus der Zeit der Apartheid erinnern.

Von zwei Spiegeln unendlich vervielfacht, läuft im Nebenraum eine von einem winzigen Pict animierte Giraffe vor sich hin, als wollte sie uns das ewige auf der Stelle treten konkret vor Augen führen. Natural Virtuality nennt sich dieser Gegensatz, der das in Afrika heimische Tier mit einem Computer-Pict verschmelzen lässt.

Intersection ist der Blick auf eine belebte Kreuzung in Johannesburg, an der zahlreiche Busstationen ende. In den frühen Morgenstunden gemeinsam mit Marcus Neustetter und Stephan Hobbs von Trinity Session sowie ortskundigen Studenten gefilmt, sieht man in der auf animierte Stills gekürzten Fassung die Betriebsamkeit am Beginn eines Arbeitstages: das Ankommen und Weiterfahren eine unendlichen Anzahl an Mini-Taxibussen, die täglich die Pendler und Straßenhändler in die Stadt bringen. Mit dem abgehackten, distanzierten Blick von oben verstärkt sich die Ahnung von der Funktion eines solchen Ortes als reine Passage, als reiner Durchgangs- und Übergangsort von einem Ort zum anderen, kein Aufenthalt, außer man kommt als Beobachter um zu fotografieren und zu filmen – und taucht dadurch manchmal selbst im aufgezeichneten Material auf.

Dem Electronic Wallpaper liegt ein Film zugrunde, der ursprünglich durch die bekannteste Barackensiedlung am Stadtrand von Johannesburg, Soweto, führt. Er ist jedoch durch eine 16.000 fache Vervielfältigung abstrahiert, das Motiv ist nur mehr ideell anwesend, ist im Raster versteckt, ähnlich wie man vielleicht auch die Armut an den Stadträndern versteckt. Der Stapel Estrichgitter erscheint wie ein dreidimensionales visuelles Pendant und ein Hinweis von anderer Seite auf die Bautätigkeit des Landes.

Die Installation als gesamtes – die parallele Verwendung von analogen und digitalen Techniken, die authentischen Dokumenten neben den visuellen und akustischen Bearbeitungen sowie die Fragmente verschiedenster Kommunikationsformen und die Materialien einer hiesigen Bauwelt – schafft eines: dass ein Stück von diesem Südafrika, wie Sabine Maier und Michael Mastrototaro es gesehen und gehört haben, jetzt vor uns ausgebreitet liegt, bereit, uns in ihre Welt mitzunehmen.

Text: Ruth Horak